Biotopbeispiele
Nachfolgend möchte wir Ihnen einige repräsentative Lebensräume von Pilzen im Böhmerwald vorstellen. Auf bayerischer Seite gehört der überwiegende Teil des Projektgebietes zum Naturraum Oberpfälzisch-Bayerischer Wald. Eine Gliederung und Vollständigkeit nach FFH-Lebensraumtypen (NATURA 2000) würde unseren Rahmen sprengen.
1.2 Artenreiches Grünland, Bergweiden, extensive Mahdwiesen
2.2 Bergmischwälder mit Buchen, Fichten und Tannen
2.4 Montane bis apline bodensaure Fichtenwälder
2.5 Eichen-Hainbuchenwälder und Schluchtwälder im Donautal
2.6 Auwälder (Hart- und Weichholzauen, Fichtenauwälder)
2.7 Latschenfelder (Buschvegetation mit Pinus mugo)
3.1 Dungpilze auf Kuhfladen, Misthaufen und Pferdeäpfeln
4. Fließgewässer der planaren und montane Stufe
Das Bayerisch-Böhmische Grenzgebirge war lange Zeit geprägt von großen, geschlossenen Waldlandschaften, die nur in Hochlagen und an Sonderstandorten Raum für Offenlandgesellschaften gelassen haben. Mit der Besiedlung durch den Menschen wurden größere Waldgebiete gerodet, wovon unzählige Ortsnamen mit den Endungen -reut, -reuth, -reutte zeugen. Durch die großflächige Nutzung insbesondere der Staatsforste und einiger großer Waldbesitzer wurden die ursprünglichen Lebensräume der Fauna, Flora und Funga stark verändert. Viele Waldarten wurden stark zurückgedrängt oder sind bereits ausgestorben. Es entstanden zunächst artenreiches Ackerland mit Feldsäumen, Viehweiden und mit der beginnenden Stallhaltung sowie als Wintervorrat zunehmend Mähwiesen. Noch bis Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts war die ursprünglich beheimatete Flora in weiten Teilen des Böhmerwalds verbreitet. Die zunehmende landwirtschaftliche Intensivierung mit der Ausbringung von Gülle, Kalk, Kunst- und Mineraldünger, die Einführung der Silagenutzung mit 6-8 Mahdgängen in der Saison hat die Anteile an artenreichem Grünland weiter stark zurück gedrängt. Die weniger konkurrenzstarken Pflanzen-, Pilz- und Tierarten verschwinden hier sukzessive. Die noch vorhandenen Reste sind schützenswerte Biotope geworden.
1. Offenlandhabitate
1.1 Moorlandschaften
Im Projektgebiet gibt es im Vergleich zu anderen Gegenden noch einen höheren Anteil an Moorlandschaften. Hierzu gehören Niedermoore, Hochmoore, Moorwälder und anmoorige Wälder. Moore sind dort enstanden, wo es nach der letzten Eiszeit vor mehr als 12.000 Jahren aufgrund von wasserundurchlässigen Bodenschichten zum Anstau von Wasser mit anschliessender Verlandung kam. Moore sind von natur aus sehr nährstoffarm mit entsprechend darauf angepassten Pflanzen, Pilzen und Tieren. Das Vorkommen verschiedener Torfmoose (Sphagnum sp.) ist charakteristisch für alle Moortypen.
Auch unter den Pilzen gibt es absolute Moorspezialisten. Einige findet man direkt im Torfmoos, manche tragen daher Artnamen wie "sphagnophila" oder "sphagnorum". In Mooren kommen auch Ektomykorrhizabildende Pilzarten vor, wenn entsprechende Baumpartner wie z. B. Birken, Fichten und Kiefern vorhanden sind.
1.2 Artenreiches Grünland, Bergweiden, extensive Mahdwiesen
Nach dem Ende der letzten großen Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren entstanden vor den Wäldern große tundrenartige Wiesenflächen, die von grasfressenden Tierarten (Herbivoren) besiedelt waren. Sukzessive eroberten sich waldbildende Baumarten große Areale, die erst wieder durch die menschliche Nutzung (Rodung, vgl. -reut, -reuth) zu Grünland wurden. Diese entweder beweideten oder ein- bis zweimal jährlich gemähdten Flächen waren jahrhundertelang bis vor 60-80 Jahren großteils sehr nährstoffarm, da keine Kunstdünger oder größere Güllemengen vorhanden waren. Diese altbäuerliche Landwirtschaftsform hat zu sehr artenreichen Magerrasen (< 12 KG N/ha) geführt, die bis zu 150 verschiedene Kräuter und Gräser je ha einen Lebensraum bieten. Da auf jede Pflanzenart im Mittel 5-6 Pilzarten zu erwarten sind, kann man auf artenreichem Grünland mehrere Hundert Pilzarten erwarten. Je höher der Stickstoff- und Nährstoffgehalt der Böden, desto geringer ist die Artenvielfalt bis hin zu extrem artenarmem Hochleistungsgrünland.
Die häufigsten Lebensraumtypen im Böhmerwald sind artenreiche montane Borstgrasrasen und Bergmähwiesen (NATURA 2000).
In den Hochlagen des Böhmerwaldes sind aufgrund der kürzeren Vegetationsperioden und überdurchschnittlich vieler kleinbäuerlichen Strukturen noch verhältnismäßig große Anteile an artenreichem Grünland zu finden. Diese Flächen enthalten entsprechend selten gewordene Pflanzen- Pilz- und Tierarten. Viele davon befinden sich auf den Roten Listen. In Deggendorf wurde 2013 das Naturschutzgebiet "Himmelreich" ausgewiesen, dass aufgrund seiner vielen selten gewordenen Pilzarten ausgewiesen wurde. Im Rahmen eines Gutachtens (KRIEGLSTEINER 2008) wurden in den Offenlandflächen und bewaldeten Flächen insgesamt 630 Pilzarten bestimmt. Diese verteilen sich auf Röhrlings-Verwandte (14 Arten), Blätterpilze incl. Sprödblättler (305 Arten), Bauchpilze (16 Arten), Nichtblätterpilze (124 Arten), Rostpilze (10 Arten), Brandpilze (3 Arten), Schlauchpilze (125 Arten), Jochpilze (1 Art) und Schleimpilze (32 Arten).
2. Wälder
2.1 Buchenwälder
Mitteleuropa ist das Hauptareal der Rotbuche (Fagus sylvatica). Je nach Geologie, Exposition und kleinräumigem Klima haben sich unterschiedliche Typen entwickelt. Im Böhmerwald herrschen neben forstlich geprägten Mischwäldern aus Buchen, Fichten und Tannen aufgrund der vorwiegend sauren Böden Hainsimsen- und Waldmeister-Buchenwälder vor. In den Hochlagen finden sich Ausprägungen des subalpinen Buchenwaldes mit Bergahorn (NATURA 2000). Die Buche hat mehrer hundert Pilzarten, die mit ihr eine Symbiose (Ektomykorrhiza) eingehen können. Manche davon sind obligat an die Buche gebunden, andere Arten können auch nmit anderen Baumarten Symbiosen eingehen. Mehrere Hundert Pilzarten sind an die Rotbuche gebunden, sei es als Symbionten, Xylobionten oder Streuzersetzer. RUNGE (1990) untersuchte neun Buchenstümpfe (ca. 100-jährig) sechs Jahre lang und fand darauf 51 Pilzarten.
Die Rotbuche ist auch der Hauptwirt des Zunderschwamms
Alte, geschwächte Buchen werden irgendwann von diesem Schwächeparasiten befallen. Es entstehen dadurch wertvolle Biotopbäume (Methusalems), die als Lebensraum für Höhlenbrüter wie Specht, Habichtskauz und Baummarder dienen. Der Zunderschwamm diente der Menschheit schon in prähistorischen Zeiten als "Feuerzeug" und Rohstoff für Zunderlappen, aus denen man bis heute Hüte und andere Kleidungsstücke herstellt.
2.2 Bergmischwälder mit Buchen, Fichten und Tannen
In Altwaldrelikten, urwaldnahen Gebieten, Bauern-Plenterwäldern kann man Waldstrukturen beobachten, die sich ohne das Anpflanzen von Forstbäumen wie der Fichte in einer natürlicheren Artenzusammensetzung entwickeln konnten. Je nach Höhenlage und Exposition sind noch Waldkiefern, Eichen, Bergahorn beigemischt. Auch Pionierbaumarten wie Birken, Ebereschen, Weiden und Zitterpappeln finden sich in solchen Wäldern. Diese strukturreichen Wälder gelten als wesentlich stabiler gegenüber Umwelteinflüssen ausserhalb der menschlichen Einflussmöglichkeiten. Wenn eine Baumart wie die Fichte mit einem Anteil von 25 % durch Trockenheit und Borkenkäferbefall ausfällt, werden die entstehenden Lücken schnell auf natürliche Art durch andere Baumarten geschlossen. Der forstliche Eingriff ist in natürlichen Waldsystemen weder vorgesehen noch erforderlich. Die natürlichen Stoffkreisläufe werden maßgeblich von Pilzen beeinflusst. Anfallendes organisches Material wird sukzessive von hunderten Arten umgewandelt in pflanzenverfügbare Nährstoffe. Die Versorgung der Bäume gewährleisten die Mykorrhizapilzarten, die Wasser und darin gelöste Mineralien im Austausch gegen Kohlenhydrate (Zucker) an die Pflanzen geben.
In der Zeit des großen Waldumbaus ab Ende des 19. Jahrhunderts war der Holzbedarf für Minen, Erz- und Glashütten und Holzfeuerstätten so enorm, dass die schnellwachsende Fichte (Picea abies) als Forstbaum in großen Reinbeständen (Monokulturen) in weiten Teilen Mitteleuropas angepflanzt wurde. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wird zun ehmend bis in die heutige Zeit klar, dass diese Idee im Generationenprojekt Waldbau ein Fehler war. Die Fichte war in Reinbeständen auch deshalb so schnellwüchsig, weil ein Teil ihrer ursprünglichen Symbiose-Pilzpartner sehr anpassungsfähig ist. Dazu gehören z. B. Fliegenpilze, Gallenröhrlinge, Perlpilze, Lederkoralle, Kahle Kremplinge, Lacktrichterlinge, Milchlinge, Maronenröhrling und Rotfußröhrline, Ockertäublinge und auch der Fichtensteinpilz, die man in fast allen Fichtenwäldern antreffen kann. Nach ca. 30 Jahren stellen sich in den meisten Wäldern nach Störungen wie Kahlschlag und Wiederaufforstung stabilere Pilzgemeinschaften ein. Einige der mit Fichten assoziierten Pilzarten sind beliebte Speisepilze, allen voran der Fichten-Steinpilz.
2.4 Montane bis apline bodensaure Fichtenwälder
Dort, wo die Fichte von Natur aus vorkommt, oberhalb der für die Buche klimatisch passenden Höhenlagen, kann man auf den sauren Gneis- und Granitunterlagen typische Pilzartengemeinschaften finden. Im Bayerischen Wald kann man diese z.B. in der Arber- und Osser-Region, am Falkenstein, Rachel, Lusen und Dreisessel finden. Die Fichte kommt hier fast in Reinbeständen vor, begleitet von Ebereschen und gelegentlich Birken.
eine Rarität. In Bayern und im Böhmerwald wurde er bislang
nur in den Hochlagen des Lackenbergs auf
abgefallenen Blattstielen der Eberesche gefunden.
Bild: Peter Karasch
Rotrandporling die dominierende Holz abbauende Pilzart. Er bereitet den
Humus für die nächste Baumgeneration, die schon heranwächst.
Bild: Peter Karasch
Bild: Lukas Haselberger
2.5 Eichen-Hainbuchenwälder und Schluchtwälder im Donautal
Zwischen Regensburg und Passau bis Linz verläuft die westliche Projektgebietsgrenze. An den milden Weinbaulagen entlang der Donau mit steilen Fels- und Trockenhängen haben sich lichte Eichen-Hainbuchenwälder sowie Edellaubholzwälder mit Bergahorn und Linden entwickelt. Je nach Höhenlage gibt es bis zu den Buchen- und Bergmischwäldern hin alle Übergangsstadien. Die von Eichen und Hainbuchen dominierten Wälder haben eine ganz eigene Pilzartengemeinschaft, auch wenn es bei einigen Pilzarten Überschneidungen der Lebensräume gibt.
Bild: Gerhard Schuster
Bild: Gerhard Schuster
Bild: Peter Karasch
Donau-Leitenwäldern in unmittelbarer Nähe zum Grünen Knollenblätterpilz gefunden werden.
Bild: Peter Karasch
Die Pilzvielfalt an Eichen ist ähnlich hoch wie bei der Rotbuche. Hunderte von Mykorrhizapartnern, Xylobionten und Streuzersetzern (Saprobionten) leben von und mit Eichen.
wie den Jochensteiner Hängen bei Passau. Bild: Gerhard Schuster
in die Wälder. Bild: Gerhard Schuster
Bild: Peter Karasch
Bild: Felix Hampe
Bild: Gerhard Schuster
zum Überleben braucht. Bild: Gerhard Schuster
2.6 Auwälder (Hart- und Weichholzauen, Fichtenauwälder
An Rändern von Seen, Bächen und Flüssen sowie in staunassen Lagen haben sich sogenannte Auwälder entwickelt, die an diese Lebensräume angepasste Pilzarten beinhalten. Als Symbionten und Wirtsbäume kommen hier Grau- und Schwarzerlen, Eschen und Weiden vor. Aufgrund der erschwerten Bodenverhältnisse konnten sich in diesen Gebeiten oft lange Habitattraditionen aufbauen und entsprechend viele heutzutage gefährdete Arten erhalten.
Uferstreifen der Wolfsteiner Ohe finden.
Bild. Peter Karasch
auf der bayerischen Seite des Böhmerwaldes gelang 2017 am Ilzufer bei Passau.
Bild: Peter Karasch
Auwäldern finden kann.
Bild: Peter Karasch
Weidensumpf entdeckt. Er ist deutschlandweit sehr selten und kann als Naturnähezeiger gelten.
Bild: Dr. Matthias Theiss
Wuchsort ist ein von vielen Bächen durchzogener Mischwald, teils mit Auwaldcharakter.
Bild: Peter Karasch
2.7 Latschenfelder (Buschvegetation mit Pinus mugo)
Bergkiefern (Latschen) bilden auf Blockschuttfeldern und Hängen der subalpinen Zonen ab 1100 Metern oft ausgedehnte Felder, die oft bis April/Mai noch im Schnee liegen. Im Bayerischen Wald kann man diese Buschwälder am Lusen und Dreisessel finden. Sie sind mykologisch im Böhmerwald noch wenig erforscht, doch weiß man aus dem Alpenraum, dass hier ein paar Dutzend von Pilzarten vorkommen können.
die schon während der Schneeschmelze wachsen.
Bild: Peter Karasch
3. Sonderstandorte
3.1 Dungpilze auf Kuhfladen, Misthaufen und Pferdeäpfeln
Das "Bender-Biotop" ist in der Mykologen-Szene in Deutschland ein gut eingeführter Begriff für alle Hinterlassenschaften von Tieren, sei es aus der traditionellen Landwirtschaft mit Stallmisthaufen oder im Wald auf Hirsch. Reh- und Wildschweinlosung. Pilze haben im Laufe der Jahrmillionen alle erdenklichen organischen Nischen erobert und leben im Einklang mit der Natur. Manche Dungpilzarten sind spezialisiert auf eine Tierart (z.B. Murmeltier), andere sind weit verbreitet auf Herbivorendung aller möglichen Haustierrassen wie Kuh, Pferd, Schaf und Ziege. Ihre Anzahl und Formenvielfalt ist jedenfalls so enorm, dass sich manche Mykologen allein auf die Erforschung dieser ökologischen Pilzgruppe spezialisiert haben.
Bild: Peter Karasch
Schneeschmelze im Frühjahr erscheinen. Bild: Peter Karasch
der Schneeschmelze. Bild: Peter Karasch
Bild: Peter Karasch
wachsen auf Dung oder Stallmist. Bild: Peter Karasch
ornamentierte Sporen. Bild: Peter Karasch
3.2 Brandstellen
Die Waldpflege mit Brandstellen und das Köhlern gehören zum Böhmerwald wie die Tradition der Glasherstellung. Zur Prävention von Waldbränden ist diese alte Tradition in vielen Bereichen nicht mehr nur eingeschränkt, sondern komplett verboten. Das hunderte von Moos-, Pflanzen, Pilz- und Tierarten die mineralreichen Brandstellen als Lebensraum benötigen, wurde bei dieser Entscheidung entweder nicht berücksichtigt oder anders gewichtet. Man nimmt mit dem Verbot von Feuerstellen jedenfalls die Gefährdung und ggf. das Aussterben vieler Arten inkauf.
auf frischen Brandstellen. Bild: Peter Karasch
4. Fließgewässer der planaren und montane Stufe
4.1 Bäche und Seigen
Insbesondere in Waldgebieten sammlen sich in langsam fliessenden Bächen, Rinnsalen und Seigen große Mengen an organischer Masse an. Bakterien und Pilze können auch diese Nahrungsquellen nutzen. Weltweit sind mehr als 3000 aquatische Pilzarten bekannt. Viele davon sind mikroskopisch klein, einige größere Arten, oft Schlauchpilze (Ascomyceten) kann man ab dem Frühjahr an im Wasser liegenden Ästen oder Zapfen beobachten.
das ideale Habitat für den Sumpfhaubenpilz. Bild: Peter Karasch
Bild: Gerhard Schuster
Bild: Peter Karasch
Bild: Peter Karasch
Bild: Andreas Gminder
Im Text zitierte Literatur:
KRIEGLSTEINER L (2008): Pilzgutachten Himmelreich - Abschlussbericht (unveröffentlichtes Gutachten).
NATURA 2000 (2008): Management im Nationalpark Bayerischer Wald. Wissenschaftliche Reihe 17: 1-251.
NATURA 2000 (2018): Handbuch der FFH-Lebensraumtypen in Bayern.